Zurück

Auszug aus der Ansprache des Domkurators Dr. Cord-Georg Hasselmann im Anschluss an den Festgottesdienst im Dom St. Peter und Paul in Brandenburg an der Havel am 11. Oktober 2015 zu dem an diesem Tag ausgelobten „Brandenburger Freiheitspreis“

Viele haben uns gefragt, warum einen Freiheitspreis und warum einen Brandenburger Freiheitspreis? Die Antwort ist sehr einfach und hängt auch mit unserem Jubiläum zusammen:

Wir feiern das Jubiläum in großer Dankbarkeit für das Erreichte, sei es der Dom in seiner Schönheit, der für uns Fundament und Kompass ist, seien es die vielfältigen geistlichen, kulturellen und diakonischen mit dem Domstift verbundenen Einrichtungen oder die Schulen. Wir übernehmen diese materiellen und ideellen Schätze auch in der Verantwortung, sie zu erhalten, weiter zu entwickeln und an die nächste Generation weiter zu geben. Ein Teil dieser Verantwortung besteht darin, dass wir uns stark machen für die Werte, die die Grundlage unseres menschlichen Zusammenlebens sind, Werte, die auch aufs Engste mit dem christlichen Glauben verbunden sind. Und einer der zentralen Werte, wenn nicht der zentrale Wert, ist die Freiheit. Ohne Freiheit ist menschliche Würde nicht vorstellbar.

Meine Damen und Herren, es ist ziemlich genau auf den Tag 26 Jahre her, dass der Elternkreis der Domgemeinde beschloss, hier im Dom am 21. Oktober 1989 eine Informationsveranstaltung abzuhalten, aus der die berühmten Friedensgebete wurden, die maßgeblich dazu beitrugen, dass die Wende tatsächlich friedlich erfolgte, ohne dass auch nur ein einziger Schuss fiel; bis heute ein kaum vorstellbarer Vorgang. Manche sprechen von einem Wunder. Unter uns befinden sich Menschen, die damals dabei waren, ohne zu wissen, welchen Ausgang ihre mutigen Taten haben würden. Ein beispielgebender friedlicher Einsatz für die Freiheit, an den wir, die nicht dabei waren, nur mit Bewunderung und größter Dankbarkeit denken können.

Heute leben wir in Deutschland in einer Gesellschaft, in der die Freiheit in einem Maße gewährleistet ist wie kaum jemals zuvor, und wir sehen und erleben gleichzeitig, dass Millionen von Menschen das Recht und die faktische Möglichkeit, nach ihrer facon glücklich zu werden, genommen oder von vornherein verwehrt wird. Je besser es uns geht, je weniger dürfen wir dazu schweigen.

Aber auch in unserem Land wird die Freiheit immer wieder aufs Neue bedroht, durch staatliche Maßnahmen ebenso wie durch Unternehmen, die häufig mehr noch als der Staat, gegen den sich klassischerweise jeder Freiheitskampf in der Vergangenheit richtete, das Recht auf Privatheit oder andere Aspekte der Freiheit verletzen, um nur Einiges zu nennen – häufig mit unserer Zustimmung. Die Freiheit erodiert aber auch durch Gleichgültigkeit, dadurch, dass wir sie als selbstverständlich hinnehmen. Auch gefährdet derjenige die Freiheit nicht nur anderer, sondern auch die Freiheit als Institution, wer von der ihm möglichen Freiheit unverhältnismäßig Gebrauch macht. Die eigene Freiheit wird immer begrenzt durch die Freiheit der anderen. Machen wir es uns immer wieder bewusst, dass es ja nicht anonyme Systeme sind, die für die Unfreiheit verantwortlich sind, sondern Menschen. Fragen wir uns selbst, wie wir durch unser Tun, unseren Lebensstil etwa, die Freiheit anderer Menschen beschneiden. Der Erhalt der  Freiheit ist nur möglich, wenn wir sehr verantwortungsbewusst mit ihr umgehen.

Mit dem Brandenburger Freiheitspreis wollen wir über das Domjubiläum hinaus den Einsatz von Menschen für die Freiheit herausheben, sie unterstützen, ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind und dass wir wissen, dass unser aller Freiheit davon abhängt, dass es Menschen gibt, die mutig, selbstlos, kreativ für sie kämpfen. Ja, häufig ist es ein wirklicher Kampf, gegen die Bürokratie, gegen die Mehrheitsmeinung, oft gegen das eigene Umfeld. Es ist nicht selten eine Entscheidung gegen den menschlich verständlichen Wunsch nach einem komfortablen, möglichst unbelasteten Alltag. Wir wollen dadurch, dass wir einzelne Menschen, Gruppen oder Institutionen ehren, auch andere ermutigen, sich für die Freiheit einzusetzen, auf welchem Gebiet auch immer. Es muss nicht immer nur in der Politik sein. Die Angriffe auf die Freiheit kommen häufig versteckt oder indirekt.

Wir, das sind das Domstift Brandenburg, das Jubiläumskuratorium, die Jury, die Förderer und natürlich der Schirmherr des Freiheitspreises, Außenminister Steinmeier. Minister Steinmeier war von der Idee des Preises sofort begeistert und hat sich sehr dafür eingesetzt, dass er heute ausgelobt werden konnte. Er hätte gerne heute zu Ihnen gesprochen, musste aber zu einer anderen Veranstaltung, auf deren Terminierung er keinen Einfluss hatte. Er lässt Sie von Herzen grüßen.

Die Jury des Freiheitspreises besteht aus fünf Personen. Einige sind heute unter uns. Es handelt sich, in alphabetischer Reihenfolge, um Frau Professorin Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Herrn Dr. Jakob Hein, Schriftsteller und Kinder- und Jugendpsychiater, unseren Domdechant und Bischof a.D. Professor Dr. Wolfgang Huber, den ich in diesem Kreise nun wirklich nicht weiter vorstellen muss, Prof. Dr. jur. Christoph Möllers von der Humboldt-Universität und Frau Dr. Sigrid Nikutta, die Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe. Ihnen allen ganz herzlichen Dank, dass Sie bereit sind, als Juroren mitzumachen. Prof. Huber ist Vorsitzender der Jury. Die Jury ist unabhängig, was eigentlich selbstverständlich ist, aber doch nicht unerwähnt bleiben sollte.

Kein Preis ohne Förderer. Wir sind in der sehr glücklichen Lage, dass zwei große deutsche Unternehmen zugesagt haben, den Preis finanziell zu fördern: Die Deutsche Bank und die ZF Friedrichshafen, ein auch im Land und in der Stadt Brandenburg sehr aktives und bekanntes Unternehmen. Den heute anwesenden Vertretern beider Unternehmen danke ich herzlichn für ihre Zusage und für die sehr konstruktive und partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Vorbereitungsphase der letzten Monate.

Der Freiheitspreis ist mit € 25.000 dotiert. Er wird alle zwei Jahre verliehen. Immer hier im Dom, immer am oder um den 11. Oktober. Das erste Mal heute genau in einem Jahr, am 11. Oktober 2016. Notieren Sie sich den Termin. Herr Steinmeier hat es bereits getan.

Jeder kann der Jury eine Kandidatin oder einen Kandidaten vorschlagen, von der er glaubt, dass sie oder er den Preis verdient. Die Abgabefrist für die Vorschläge endet am 1. März 2016. Die Vorschläge können hier im Domstift abgegeben oder uns per Email geschickt werden. Die Jury ist an die Vorschläge nicht gebunden. Am Ausgang erhalten Sie einen Flyer, auf dem Sie alle Einzelheiten nachlesen können. Zum Freiheitspreis gibt es auch eine Website, die heute um 12 Uhr freigeschaltet wird: www.brandenburger-freiheitspreis.de .

Also, wenn Sie jemanden kennen, die oder der sich in herausragender Weise für den Freiheitsgedanken eingesetzt hat, teilen Sie es uns mit. Helfen Sie uns, Menschen zu unterstützen, die für die Freiheit kämpfen. Erzählen Sie von dem Freiheitspreis in Ihren Familien- und Freundeskreisen, in Ihren Betrieben und Vereinen. Wir wollen die hidden champions der Freiheit kennenlernen. In den Worten eines bekannten Kirchenliedes: „Komm, sag es allen weiter, ruf es in jedes Haus hinein!“